Demontage von Historischem – Teil 1

Da wir bereits einen Flügel der Firma Th. Mann & Co. von 1911 und ein Klavier der Vorgängerwerkstatt C.W. Volkening aus der Zeit vor 1858 unser Eigen nennen dürfen und der Platz begrenzt ist, liegt wohl nichts näher, als der Verzicht, weitere Großmöbel anzuschaffen.

Dennoch nutzten wir die Gelegenheit des Erwerbs eines Th. Mann Klaviers, das im Bielefelder Raum für geringes Entgelt angeboten wurde. Bereits seit geraumer Zeit dachten wir über die Möglichkeiten nach, den Eisenrahmen eines Klaviers als Garderobe nutzbar zu machen und seinen Resonanzboden zu einem Tisch umzuwidmen. Dazu bot sich ein Mann-Klavier an, das aufgrund seines Zustandes nur mit enormem Aufwand wieder spielbar gemacht werden könnte. Voraussetzung war zudem, dass es ungefähr zur gleichen Zeit produziert wurde wie unser Flügel, damit der Eisenrahmen mit demselben Markenlogo ausgestattet sei.

Durch Zufall entdeckten wir auf einer Online Kleinanzeigenplattform ein in den äußeren Bezirken von Bielefeld untergebrachtes Klavier, das diesen Anforderungen entsprach. Es stand seit geraumer Zeit in der Garage eines mittelständischen Unternehmens und war Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit ausgesetzt. Der Zahn der Zeit nagte an dem Instrument: Resonanzboden und Basssteg weisen Risse auf. Die Filze der Hammerköpfe sind bereits stark in Mitleidenschaft gezogen und der Lack zeigt Spuren notdürftiger Überarbeitung. Die originalen Tastenbeläge sind lose und lückenhaft. Viele Tasten klemmen und die Hammerköpfe geben beim Anschlagen einen stark verstimmten Ton wieder.

Der Vorbesitzer berichtete, dass er das Klavier vor bereits mehr als 20 Jahren von einer städtischen Bielefelder Einrichtung bezogen hatte. Seither konnte diesem nur wenig Aufmerksamkeit zuteil werden.

Dank tatkräftiger Unterstützung war das Klavier schnell auf Rollbrettern befestigt und mittels Laderampe im geliehenen Transporter festgezurrt. Ebenso schnell war es am Zielort ausgeladen und in der provisorischen Werkstatt verstaut.

Wie ein Archäologe Schicht für Schicht das Erdreich abträgt, um den historischen Spuren und ihren Veränderungen auf den Grund zu gehen, wollen wir dieses historische Objekt in seiner Bauweise erfassen, um Rückschlüsse auf die Produktionsbedingungen und -Prozesse der Fabrik um das Jahr 1911 zu erhalten.

Bereits die erste Inaugenscheinnahme brachte zahlreiche Informationen hervor. In dem Eisenrahmen ist, unterhalb des Markenlogos zwischen Bass und Diskant die Produktionsnummer 16895 eingelassen. Auf der Rückseite finden sich auf einem Rastenbalken die Zahl 155 eingeprägt und an einer Leiste seitlich des Resonanzbodens die Zahl 171 aufgemalt. Die weiteren Untersuchungen sollten zeigen, dass viele Bauteile mit Ziffern versehen sind.

Eine genauere Betrachtung der Rückseite zeigte, dass die vertikalen Rastenbalken schichtweise aus zwei Balken verleimt wurden. Dabei scheint es so, als wären sie ungleichmäßig dick und nachträglich angepasst worden.

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