Ungemein hilfreich für eine Datierung von historischen Instrumenten ist ein umfangreich erhaltenes Firmenarchiv, das Aufschluss über den Entstehungszeitraum von einzelnen Klavieren oder Flügeln anhand ihrer Seriennummer gibt.
Leider wurde die Fabrik Th. Mann & Co. in den letzten Kriegsjahren Opfer von Bombenabwürfen der Alliierten, welche die gesamte Bielefelder Innenstadt verheerten. Damit gingen vermeintlich auch sämtliche Produktions- und Rechnungsbücher verloren. Gleichfalls ist es unmöglich noch lebende Personen zu treffen, die sich an die späte Phase der Fabrik und ihre Produktionsbedingungen erinnern können, geschweige denn Auskunft zu geben vermögen über Herstellung von Klavieren im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Neben existierenden Rechnungen in privater und öffentlicher Hand, die Zeugnis vom Jahr der Herstellung eines Instruments ablegen, sind Inschriften mit Jahreszahlen und Aufdrucke von Medaillen hilfreich, ein Herstellungsjahr einzugrenzen. Weiterhin lassen sich Zeiten durch Datierung der Klaviermechanik eingrenzen. Jan Großbach weist in seinem „Atlas der Pianonummern“ (11. Auflage 2009, S. 17 – 25) darauf hin, dass Mechaniken in weitaus höherer Stückzahl produziert wurden, was eine Eingrenzung ihres Entstehungszeitraums vereinfacht.
Bereits im späten 19. Jahrhundert entwickelten sich Spezialisierungen und nicht länger wurden sämtliche Bestandteile von Klavieren aus einer Hand gefertigt. Zulieferer übernahmen die Produktion von Mechaniken und dekorativen Bauteilen, wie Konsolen oder Bildelemente.
Bereits diese Gegenüberstellung ließe es zu, grobe Datierungen vorzunehmen; unter der Voraussetzung, man kann das Vergleichsobjekt relativ zielgenau einordnen. In diesem speziellen Fall leider nicht umsetzbar.
Ein Blick auf die Mechanik, liefert im Fall des Mann-Klaviers zweierlei Informationen. Einerseits den Hersteller Schwander, samt Seriennummer (95044) und, obendrein ein Vermerk von Auszeichnungen während Ausstellungen in Paris 1867 und Wien 1873. Damit liegt nahe, dass die Mechanik nach 1873 gefertigt wurde.
Doch gerade die Medaille der Wiener Ausstellung birgt besonderen Sprengstoff. Die Firmenplakette auf der Innenseite des Klaviaturdeckels benennt Theophil Mann als Produzenten, was darauf hindeutet, dass dieses Klavier entstand, bevor Hermann Steinhaus als Teilhaber in die Fabrik eintrat und Th. Mann zu Th. Mann & Co. wurde. Da in zahlreichen Publikationen hierzu aber das Jahr 1872 genannt wird, sind dreierlei Schlüsse denkbar: Die Mechanik wurde nachträglich ausgetauscht, Klaviere wurden auch nach Eintritt H. Steinhaus noch unter Theophil Mann vertrieben oder die Gesellschaft Th. Mann & Co. wurde erst nach 1873 gegründet.
Für den französischen Hersteller Schwander, der ab 1844 produzierte, verzeichnet der „Atlas der Pianonummern“ als früheste Seriennummer 205194 von 1883. Mit großer Ungewissheit könnte die im Mann-Klavier verbaute Mechanik damit um 1875 gefertigt worden sein. Zumindest im Abstand zur frühesten für Th. Mann & Co. verzeichneten Nummer 9983 für das Jahr 1901 ist das plausibel.
Da aktuell keine Archivbesuche möglich sind, muss eine Bestätigung in anderer Form erfolgen. Glücklicher Umstand ist die digitale Entwicklung und öffentliche Bestrebungen, Archivalien nachhaltig für eine große Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Seite zeitpunkt.nrw versammelt eine Vielzahl digitalisierter Zeitungen aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch zahlreiche aus Bielefeld.
Am. 8. November 1874 erscheint im Bielefelder Wochenblatt eine Übersicht der letzten Einträge und Veränderungen des Handelsregisters für Bielefeld. Hier liest man von der Löschung der unter Nummer 501 geführten Firma „Th. Mann“ aus dem Firmenregister und der zeitgleichen Aufnahme der Firma „Th. Mann & Co.“ im Gesellschaftsregister unter Nummer 253.
Bezeichnend ist, dass ab diesem Zeitpunkt sämtliche Anzeigen der Firma mit Th. Mann & Co. unterzeichnet wurden, was wahrscheinlich macht, dass dies auch auf den Instrumenten konsequent umgesetzt wurde. Bereits knapp zwei Wochen später erscheint ein Stellengesuch von Th. Mann & Co. in derselben Zeitung.
Entsprechend sind alle Anzeigen vor dem 8. November 1874 durchweg mit Th. Mann unterzeichnet. Diese sind überdes von besonderer Bedeutung, als sie eine patentierte Formfindung zur Steigerung der Stimmfestigung von Klavieren durch Theophil Mann benennen.
Bei diesem Patent handelt es sich wohl um das im Mai 1874 erteilte Patent „auf eigentümliche Anordnungen an Pianos und Flügeln“, deren Verfahrensakte, samt Zeichnungen im Landesarchiv Baden-Württemberg aufbewahrt wird.
Eben diese Konstruktion eines geneigten Stimmstocks findet sich auch an Klavier Nummer 1008 umgesetzt.
All diese Hinweise legen als Entstehungszeitraum des Th. Mann Klaviers Nummer 1008 die Zeit zwischen Mai 1874 und November 1874 nahe. Zur Patenterteilung an Theophil Mann erschien am 2. Mai im Bielefelder Wochenblatt eine Notiz, in der es am Ende heißt:
Die Fabrik vollendet in nächster Zeit ihr 1000. Pianino.
Bielefelder Wochenblatt vom 2.5.1874.
Durch einen glücklichen Umstand erhielt sich in Vlotho ein mehr als 140 Jahre altes Klavier, das in mehrfacher Hinsicht Zeuge einer besonderen Zeit der Bielefelder Flügel- und Pianofabrik Th. Mann & Co. darstellt.