Kuriositätenkabinett – Teil 2 [update]

[Teil 2]

Dank des freundlichen Hinweises eines Frankfurter (a.M.) Klavier- und Cembalobauers, handelte es sich bei dem Rattenfänger des oben verlinkten Artikels wohl nicht um eine Katze, sondern einen Hund.

Ein Spitz mochte ihm zufolge auch als „Rattler“ angesprochen werden. Eine Anzeige des Bielefelder Tageblatts aus dem Jahr 1879 mag dies bestätigen.

Bielefelder Tageblatt, 13. Juni 1879.

Zwischen-Geschichte(n)

In vielen Fällen stellt Geschichtsschreibung die Betrachtung von Eliten, ihren Handlungen und Netzwerken dar. So entstand Geschichte als Niederschrift über (vermeintlich) bedeutende Menschen. Die breite Bevölkerung lebte oft nur als gesichtsloser „Volkskörper“ ihrer Traditionen und Lebensweisen fort. Hier und da fielen Namen einzelner Menschen in das Geschichtswerk; meist im Kontext von Kontakten zu Eliten.

Dies hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Glück gewandelt.

Auch im Kleinen stellt der Nachvollzug eines einfachen Lebens die Verneigung vor der Lebensleistung eines Menschen dar. Die Nachhaltigkeit von Leistungen sollte nicht an staatsmännischen Entscheidungen oder kapitalistischen Erfolgen geknüpft sein.

Jeder Mensch schafft sein tagtägliches Auskommen mit den eigenen Händen. Sei es das wortwörtliche Abarbeiten an materiellen Aufgaben. Dem Produzieren von Alltagsgegenständen, dem Abtransport von Abfall oder den zahlreichen Serviceleistungen. Sei es immaterielles Arbeiten; das Niederschreiben von Gedanken, die zu Wissenschaft, Journalismus, Poesie oder fiktionalen Romanen führen.

Heutzutage ist es nicht unüblich auch individuellen Leistungen Tribut zu zollen, indem Firmen die Zugehörigkeit einzelner Arbeiter nach Jubiläen öffentlich machen. Ein Akt der Würdigung mit Tradition. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde Angestellten Arbeitern in dieser Form gedankt. Besonders spannend wird dies im Kontext einer firmen- und sammlungsgeschichtlichen Aufarbeitung von Entwicklungen.

Am 24. Mai 1876 erschien im Bielefelder Wochenblatt eine Anzeige, aufgegeben von MItarbeitenden der Pianofortefabrik Th. Mann & Co. aus Bielefeld.

Anzeige zum Arbeitsjubiläum im Bielefelder Wochenblatt vom 24. Mai 1876.

Dies bedeutet, Louis Jesziorsky trat im Jahre 1851 in die Fabrik ein. Zu diesem Zeitpunkt war noch Christian Wilhelm Volkening Inhaber dieser kleinen Manufaktur im aufstebenden Bielefeld. Jesziorsky war einer von knapp 8 Arbeitern, als Theophil Mann die Klavierbauwerkstatt vom schwer erkrankten Volkening übernahm.

Ein Blick in das erste Adressbuch der Stadt Bielefeld von 1865 offenbart, dass Louis Jesziorsky vermutlich Tischler war und im Haus Nummer 504 d, gelegen an der Breiten Straße in Bielefeld wohnte. Die Namensvariante liefert hier jedoch eine erhebliche Unsicherheit.

Bielefelder Adressbuch von 1865.

Dennoch wohnte er damit wohl in unmittelbarer Nähe zum damaligen Standort der Werkstatt Volkenings und, bis 1868 auch der Pianofabrik Th. Mann, die erst hernach an den Standort am Oberntorwall wechselte. Volkenings Werkstatt befand sich zumindest an einem Zeitpunkt im Eckhaus Breite Straße und Kreuzstraße.

Als Seitennotiz sei angemerkt, dass der Arbeiter-Bildungs-Verein, aus welchem später die Volkshochschule Bielefeld hervorging, im April 1878 beschloss, „die frühere Volkening’sche Besitzung an der Kreuzstraße zu 24,000 Mark anzukaufen“ und um einen großen Saal zu ergänzen.

Bielefelder Tageblatt vom 11. April 1878.

Lässt man die Schreibvariante des Namens geltend und nimmt an, es handelt sich um die gleiche Person, war Jesziorsky auch an der Gründung der Betriebskrankenkasse Th. Mann & Co. beteiligt und stand ihr als Vorsitzender vor.

Ausschnitt aus einem Blatt der im Stadtarchiv Bielefeld erhaltenen Gründungsakte der Betriebskrankenkasse von Th. Mann & Co.

Persönlich spannend wird die Geschichte Louis Jesziorskys, bedenkt man, dass er vermutlich direkt an der Schaffung eines Volkening-Klaviers beteiligt war, das sich in unserem Besitz befindet. Auch wenn wir noch keine konkrete Eingrenzung des Fabrikationsjahres vornehmen konnten, da noch wenig über die frühen Jahre der Fabrik bekannt ist, ist bereits der Gedanke spannend, Namen und die wenigen Lebenseckpunkte eines Tischlers zu kennen, der möglicher Weise an diesem Klavier mitgewirkt hat.

Volkening-Klavier.

Quellen und Bildnachweise u.A.: zeitpunkt.nrw

Firmenschilderwald – Teil 2

Versuch einer Typologie

Momentan besteht eine große Unsicherheit bei Aufstellung einer Typologie in den fehlenden Daten zu exakten Dimensionen der Schriftzüge und Plaketten. Leider konnten bislang nur wenige Instrumente persönlich in Augenschein genommen werden, da sie über das Gebiet der Bundesrepublik, sogar Europas und in Teilen weltweit verstreut zu finden sind.

Verständlicher Weise vollziehen Besitzer nicht immer den Zweck unseres Anliegens nach, wenn wir Anfragen zu Schriftzügen, Logos, Bauweisen, Seriennummern und Mechanikherstellern stellen.

Typ VII – Gruppe 1

Den Einstieg in Typ VII bildet eine plakettenartige Intarsie aus Messing und Holzfurnier. in einem längsrechteckigen Rahmen, gezogen von schmalen Messinglinien sitzt in zwei Zeilen die Schrift „Th. Mann & Co. / Bielefeld.“ Hierbei fanden abermals zwei unterschiedliche Schrifttypen Einsatz. Während «Bielefeld», ausgestattet mit einem Endpunkt in serifenlosen Antiquamajuskeln gesetzt wurde, präsentiert sich «Th. Mann & Co.» in einzeln abgesetzten Gruppen in einer kursuven kalligrafischen Schreibschrift.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle das «M», welches aus einer links geschwungenen Volute von unten entwickelt wird und deren obere Enden spitz umbrechen. „Th.“ und „Co.“ verfügen über Abkürzungspunkte und sämtliche Großbuchstaben weisen geschwungene Eingangs- und Ausgangsbögen auf. Innerhalb der Letterngruppen sind die einzelnen Buchstaben miteinander verbunden. Das „o“ in der Companie-Abkürzung ist wie zuvor mittig hochgezogen und der Abkürzungspunkt mittig untergestellt.

Schriftzug auf Klavier mit der Seriennummer 11790 aus der Zeit zwischen 1901 und 1908.

An den zugänglichen Beispielen dieses Typs fallen die unregelmäßig gesetzten Lettern auf. Besonders deutlich wird dies am «Bielefeld.», wo die einzelnen Lettern nicht immer regelmäßig zueinander stehen und auf der Grundlinie aufsitzen.

Dies legt die Vermutung nahe, dass zu diesem Zeitpunkt ein noch rein handwerklicher Prozess war.

Varianten
Typ VII – Gruppe 1 a

In leichter Variation findet sich der gleiche Schriftzug, aber ohne Messingrahmen auf schwarz gefassten Klavieren eingesetzt.

Schriftzug auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer.

Typ VII – Gruppe 2

In der zweiten Gruppe, deren Schriftsatz beinahe deckungsgleich mit dem aus Gruppe 1 ist, sind Buchsteben und Wörter miteinander verbunden. Des Weiteren sind die oberen Enden des «M» rund gebogen und das «o» der Companie-Kürzung läuft in einer Art Flatterband aus, das nach unten gebogen als Unterstreichung des Firmennamens der Leserichtung entgegen ausläuft. Die Ortsbezeichnung, sofern vorhanden, wird nun in einer Serifen-Antiqua gesetzt.

Hinsichtlich der Aufsatzform lassen sich zwei Variantengruppen unterscheiden: (a) Handgeschnitzte und (b) mit Messing ausgelegte Schriftzüge. Sie unterscheiden sich kaum im Schriftsatz und folgen sogar Gestaltungsvarianten in Parallele zueinander. Dennoch gibt es einen wesentlichen und einen sekundären Unterschied. Variantengruppe (a) weist ein im Abstand über der Grundlinie stehendes «o» auf, während in (b) alle Lettern konsequent auf einer Linie liegen. Sekundärer Unterschied besteht einzig darin, dass in allen bisherig bekannten Beispielen der Gruppe (a) die Ortsbezeichnung fehlt. In Gruppe (b) fällt dieser Zusatz erst in späteren Ausprägungen weg.

Variantengruppe (a)

Die geschnitzte Variante taucht ungefähr im Bereich der Seriennummern 12.000 bis 15.000 auf und wechselt sich in dieser mit Messingvarianten ab. Erstere zeichnet sich durch drei Fassungen aus, die sich nur marginal durch Punktsetzungen und ihre Auslassung nach «Th» und «Co» manifestieren.

Handwerkliche Unterschiede finden sich in der Form, wie Bögen geschlagen werden, oder in welchen Weite einzelne Linien oder Buchstaben zueinander stehen. Dies scheint nicht für die Punktsetzungen zu gelten, da sich in frühen Beispielen ein runder Abkürzungspunkt am «Th.» finden lässt, währen in späteren Fassungen dieser in einer sich nach unten verjüngenden Kommaform wandelt.

Hervorzuheben sind die mittig zwischen den Buchstaben spitzwinklich umgebrochene Verbindungslinie zwischen «&» und «Co.» und die volutenartige Dekoration des «T», welche das untere Ende des Vertikalbalkens mit dem linken Ansatzpunkt des Horizontalbalkens. Letztere weist eine stumpfwinklige mittige Brechung zwischen zwei geschlagenen Schlaufen auf, die selbst unterschiedlich gestaltet sind. Die untere Schlaufe ist eher rundförmig und von ihrem Ansatzpunkt nach unten gerichtet, während die obere leicht oval und nach rechts gerichtet ist. Hierin findet sich eine Unterscheidungsmerkmal zu späteren Messingvarianten.

Schriftzug von Klavier mit Seriennummer 12318.
Geschnitzter Schriftzug auf Klavier mit Seriennummer 14275.
Variantengruppe (b)

In der Messingvariante zeigt sich eine auffällige Entwicklung. Irgendwo zwischen Seriennummer 18050 und 18306 (um 1920) wurde entschieden, das untergestellte «Bielefeld» auszulassen. Um 1910 (vor Seriennummer 16744) entfällt bereits der Punkt nach dem «Bielefeld» – wobei bereits zuvor mit Seriennummer 14291 ein Klavier existiert an dem dieser Punkt nicht auftaucht, und nach ab Seriennummer 14327 alle bekannten Messingschriftzüge mit einer schleifenartig dekorierten Verbindungslinie zwischen «&» und «Co.» ausgestattet wurden.

Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten dieser Gruppe finden sich in der Weise, wie die linksseitige Dekoration des «T» geformt ist. Sie schwankt zwischen einer stumpf- und spitzwinkligen Variante, bis sie ab spätestens Seriennummer 14327 konsequent spitzwinklig umgesetzt wurde.

13978
14291
Stutzflügel mit der Seriennummer 16750.
Sonderform Typ VII 2 (b)

Eine ungewöhnliche Variante findet sich auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer. Sie folgt im Schriftschnitt weitestgehend dem Typ VII. Einziger Unterschied besteht darin, dass statt des Firmennamens „Mannola“ genutzt wurde. Das «M» beginnt dabei mit einer rechtsgedrehten Volute.

Bezug nimmt dies auf einen, vermutlich in den 1920er Jahren eingetragenen Markennamen „Mannola“, verzeichnet im von Karlheinz Engel 1933 in Hamburg herausgegebenen Band Deutsches Markenartikel-Adreßbuch.

Typ VIII

Dieser Typ ist eine Ausnahmeerscheinung inmitten der Ausprägungen von Typ VII. An zwei Instrumenten, einem Flügel mit der Seriennummer 17090 und einem Klavier mit unbekannter Seriennummer taucht eine serifenlose in Majuskeln gesetzte Grotesk als Schriftsatz für den Firmennamen auf.

Die beiden bekannten Beispiele unterscheiden sich sogar in einigen Punkten. So zum Beispiel in der Breite der Buchstaben und ihren Formen – in einem Fall sind die äußeren Linien des «M» schräg nach innen gestellt und im anderen Fall senkrecht. Das «A» untescheidet sich in der Ansatzhöhe des horizontalen Querbalkens.

Flügel mit der Seriennummer 17090.
Klavier mit unbekannter Seriennummer.

Bei allen Unterschieden und Kontinuitäten oder Diskontinuitäten muss immer mit berücksichtigt werden, dass Th. Mann & Co. in den im Stadtarchiv Bielefeld verfügbaren Katalogen stets auf die Möglichkeit hinweisen, ein Klavier nach Kundenwunsch zu fertigen.

Weitere Recherchen und Forschungen werden vermutlich Klarheit bringen. Noch immer dürften in den Stadtarchiven von Detmold, Rinteln, Gütersloh, Herford und Paderborn, sowie anderen Spezialarchiven (z.B. Wirtschaftsarchiv) Funde zutage zu fördern sein, die Aufschluss über die Produktionsbedingungen und -Prozesse liefern. Auch die weithin noch existierenden Instrumente in öffentlichen Sammlungen und Privathaushalten lassen hoffen, als Forschungsobjekte erfasst und obige Liste zu vervollständigen.

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Firmenschilderwald

Versuch einer Typologie

Bereits früh in den Recherchen zu erhaltenen Instrumenten der Bielefelder „Flügel- und Pianofabrik Th. Mann & Co.“ zeigte sich, wie variationsreich ihre Gestaltung von Instrumenten, Werbematerialien und eben ihres Corporate Design war.

Allem voran stand der überall präsente Firmenschriftzug, der auf den Fabrikerzeugnissen einen großen Gestaltungsreichtum offenbarte.

Aus Blickwinkel eines Historikers kommt der Erfassung dieser Unterschiede der Zustand zugute, dass die Fabrik nicht länger existent und damit seit nunmehr etwa 80 Jahren keine Instrumente mehr herstellt werden. Insofern ist der Forschungsgegenstand endlich.

Aus einem Konvolut an 58 fotografisch erfassten Klavieren sind von 40 die Seriennummern bekannt, wodurch sich zumindest eine relative Entwicklungsreihenfolge festmachen lässt. Auf Basis Jan Großbachs „Atlas der Pianonummern“ lässt sich erst ab 1901 und einer Seriennummer um 9983 eine halbwegs gesichterte Datierung anhand der Seriennummern durchführen. Für die Zeit vor 1900 fehlen gesicherte publizierte Informationen.

Ein erster Blick auf die Firmenschriftzüge offenbart in der Tat eine Gestaltungsgenese. Bei näherer Betrachtung erschließen sich die komplexen Nuancen wohl temperierter Veränderungen. Nicht immer eindeutig ist zu entscheiden, ob ein Unterschied Resultat bewußter Entscheidung oder handwerklicher Variationen durch Mitarbeiterwechsel darstellt.

Nach welchen Kriterien ließe sich also eine Typologie der Firmenschriftzüge anfertigen? Anhand der bisher greifbaren Instrumente und verfügbaren Abbildungen können fünf Merkmale benannt werden. Diese sind hinreichend, um Gruppen an Schriftzuügen zu identifizieren.

Schrifttype, Ort der Anbringung, Form der Anbringung, Informationsgehalt und Dekoration.

Hierbei ist die Schrifttype der gewichtigste Faktor, gefolgt vom Informationsgehalt. Nachrangig sind Ort und Form der Anbringung, sowie die beigefügte Dekoration.

Auf den 58 Einzelinstrumenten finden sich neun unterschiedliche Schrifttypen. Vereinzelt lassen sich unselbstständige Variationen ausmachen, die sich voneinander marginal durch dekorative Formen oder Auslassungen abheben. In Bezug auf die Klaviere und Flügel nach 1910 ist eine weitestgehende Kontinuität feststellbar, die in nur zwei Fällen – bei drei Instrumenten, gebrochen wird. Orte der Anbringung sind stets die Mitte des Klaviaturdeckels unterhalb vom Notenhalter oder die Zierleiste. Dagegen zeigt sich die Form der Anbringung und beigefügte Dekoration, bzw. deren Auslassung ein größeres Spektrum.

Als Typ 0 in zwei bekannten Variationen wird das Markenlogo der Vorgängerwerkstatt von C.W. Volkening bezeichnet. Typ 0 a ist eine Prunkfassung, wie an dem sogenannten Liszt-Flügel in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig. Typ 0 b ist die Gestaltung eines zweireihigen, teils in Messing gefertigten Schriftzugs innerhalb eines rechteckigen Messingrahmens, bestehend aus «C. W. Volkening» über einem kleiner gesetzten «Bielefeld». Die Schriftart ist eine als „Western“ ansprechbare Serifentype. Diese Form des Markenschriftzugs findet sich an einem Flügel und einem Klavier in Privatbesitz in Brakel und Bielefeld.

Werkstattemblem von C.W. Volkening auf dem Klavier mit der Seriennummer 154 in Privatbesitz in Bielefeld.

Typ I

Auf dem Klavier mit der Seriennummer 605, einem stark beanspruchten und unfachkundig überarbeiteten Instrument Ist der Schriftzug „Theophil Mann / Bielefeld.“ in Kapiteln einer dekorativen serifenbetonten Schrift zweireihig gesetzt. Das «Bielefeld» der unteren Zeile ist beidseitig begleitet von s-förmigen liegenden Doppelvoluten. Die Lettern aus eloxiertem Metallblech sind einzeln innerhalb eines vorbereiteten langrechteckigen Furnierstreifens eingelegt und mit dem restlichen Tastendeckel verbunden worden.

Firmenschriftzug auf dem Klavier Nummer 605, entstanden um 1865.

Typ II (sog. Grundtyp II)

Bereits auf dem Instrument Nummer 1008 zeigt sich eine deutliche Veränderung. Schriftarten und Aufsatzform wurden verändert und inhaltlich durch weitere Infomationen ergänzt; als eine Art dekorative Plakette auf den Tastaturdeckel aufgeschraubt. Beibehalten wird die Zweizeiligkeit und der Einsatz zweier unterschiedlicher Schrifttypen. Diese Form des typografischen Kontrasts findet man hernach mehrfach in unterschiedlicher Form umgesetzt. Der Markenname «Theophil Mann, Bielefeld.» ist in einer Art Texturschrift mit kalligraphischer Ausdekorierung gesetzt und hebt sich von der darüber liegenden serifenlosen Antiquaschrift ab. Hier sind die beiden in Kapiteln gefassten Wörter «Patente – Medaillen» durch eine horizontale Dekorlinie voneinander abgegrenzt. Umrahmt werden beide Zeilen von einer feinen rechteckig gesetzten Linie, welche auch die fünf Schrauben einfasst.

Firmenschriftzug auf dem Klavier Nummer 1008, entstanden um 1873.
Varianten

Es existieren drei Varianten dieser Form, die sich mehr oder weniger durch Inhalt und Gestaltung unterscheiden.

Typ II a

Die erste Variante findet sich auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer, unterscheidet sich aber vom Grundtyp II nur darin, dass statt der Firmenbezeichnung «Theophil Mann, Bielefeld.» nun «Th. Mann & Cie, Bielefeld.» zu lesen ist. Dies geschah infolge des EIntritts Hermann Steinhaus als Teilhaber.

Auf der Plakette wurden die gleichen Schriftarten genutzt. Einzig die obere Zeile ist leicht größer gesetzt. Auffällig und hervorzuheben ist auch die Anhebung der Grundlinie und doppelten Unterstreichung des «ie» bei der Abkürzung des Begriffs «Companie»

Plakette auf einem Klavier nach 1873.
Typ II b

In leider nur unscharfer Abbildung findet sich eine Variante als Amalgam aus Typ I und Grundtyp II gefertigt, die vermutlich vor letzterem entstanden ist, da es noch den Schriftzug «Theophil Mann» trägt und «Patente – Medaillen» fehlt.

Es lässt sich erahnen, dass die Schriftarten von Grundtyp II Verwendung fand, der Inhalt wiederum zweizeilig in der Weise von Typ I gesetzt wurde und die Plakette scheinbar hell rechteckig gerahmt mit vier Schrauben befestigt wurde.

Plakette auf einem Klavier vor 1873.
Typ II c

Aufgrund der Seriennummer ist bekannt, dass diese Plakette nach 1873 entstand, aber Formen des Typ II b aufgreift. In der zweireihigen Gestaltung begleiten den Firmennamen und Ort ebenfalls die Begriffe «Patente» und «Medaillen«, diesmal als Rahmung der Ortsangabe «Bielefeld» in der unteren Reihe. Schriftarten sind dem Grundtyp II entlehnt. Die Ortsangabe rahmenden Begriffe sind typografisch kleiner gesetzt und scheinen wie dieser mit einem Punkt abgeschlossen zu sein.

Plakette auf dem Klavier mit der Seriennummer 1277, entstanden nach 1873.

Da sich die Schildtypen II b und II c auf schwarz gefassten Instrumenten befanden, ist nicht gesichert, ob die Variationen nicht auch aufgrund der Bauweise der jeweiligen Instrumente gewählt und eingesetzt wurden.

Typ III a & b

Eine besondere Variante, von der nur jeweils ein Exemplar bekannt ist und keine Seriennummern auskunft über die zeitliche Orientierung liefern, sind zwei direkt in das Furnier/Holz eingelegte Schriftzüge, die sich voneinander durch dekorative Entscheidungen absetzen, und sich gemeinsam in ihrem von Typ II andersartigen Schriftsatz auszeichnen. In ihrer Ausführung unterscheiden sie sich von den zuvor genannten durch ihr Material. Die Lettern sind nun in Messing gefertigt.

Aufgrund der typographischen Ähnlichkeit zu Typ II wurde dieser Gruppe in Anschluss an jene sortiert. Sollte sich jedoch die Seriennummer vom Beispiel des Typ III a bestätigen, dann würde diese Gruppe insgesamt wohl zeitlich hinter Typ V einzuordnen sein und wäre damit typographisch ein Rückgriff.

Typ III a weist noch die kalligraphischen Schwünge der Serifenendungen von Typ II auf, setzt sich aber ansonsten in eher gestrenger Frakturschrift von dem vorhergehenden Typus ab. Auffallend ist die horizontale Betonung des Initial-«M», sowie die weit nach oben gezogenen Lettern «ie» der Companiekürzung und den darunter gesetzten Punkt.

Eingelassener Schriftzug auf einem Klavier mit nicht gesicherter Seriennummer 6905.

Typ III b verzichtet weitestgehend auf weit geschrungene kaligrafische Serifenendungen und reduziert diese auf kleine zwigespaltene Bogenenden oder Ecklösungen. Hervorzuheben ist hier die einzeilige Unterstreichung und Punkt der mittig hochgezogenen Buchstaben «ie».

Eingelassener Messingschriftzug auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer.

Typ IV a & b

Dieser Typ existiert in zwei Varianten und zeichnet sich durch seine Western-Schriftart in Kapiteln aus. Auffällig sind die zwigespaltenen Serifen, beziehungsweise die oberen und unteren horizontalen Endzonen, sowie die horizontale, mittige Betonung durch nach rechts und links ausgreifende Zwickel. DIe Schriftart besitzt unterschiedlich breite Linien der einzelnen Lettern. Die Abkürzung des „Companie“ weist eine ähnliche Setzung auf, wie Typ III b.

Die Besonderheit von Typ IV a ist die Aufsetzung in Form eines undekorierten erhabenen rechteckigen Felds mit konvex gerundeten seitlichen Rändern.

Messingschriftzug auf Klavier Nummer 3247.

Gegenüber dem vorhergehenden Typ wurde Typ IV b auf die Zierleiste aufgebracht, besitzt andererseits die gleiche Gestaltung. Dieser Typ findet sich auch auf dem in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseums Brüssel befindlichen Klavier.

Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 4235.
Schriftzug auf der Zierleiste eines Klaviers mit unbekannter Seriennummer.

Typ V

Eine besondere Stellung nimmt dieser Typus ein, da er nicht nur eine aufgenagelte Metallplakette in Form einer mehrfach gebrochenen, symmetrischen Kartusche und ausgestattet mit einer komplexen figürlich-dekorativen Darstellung ist, sondern in gleicher Form auch auf dem Eisenrahmen von Klavier Nummer 3247 auftauchte.

Der eingesetzte Schriftschnitt ist eine serifenlose Antiqua in Kapitellen. Die Abkürzung «Cie» weist abermals weit hinauf gezogene und doppelt unterstrichene Buchstaben «ie» auf. Firmenname und Firmensitz sind beiderseits des Bildwerks gesetzt, welches wiederum halbbogenförmig durch «Patente • Medaillen» unterfangen ist.

Die Kartusche besitzt eine längliche, mehrfach gebrochene Form, deren Rand zweifach profiliert ist und an acht Stellen aufgenagelt wurde. Die Fläche, aus der Bildwerk und Schriftzüge herausstehen ist punktiert.

Das Bildwerk ist eine nahezu detailgetreue Abbildung des auch durch das „Bielefelder Kreisblatt“ (1857–1864), sowie die Nachfolgeblätter „Bielefelder Wochenblatt“ (1864–1876) und Bielefelder Tageblatt (1876–1883) genutzte Darstellung. In Teilen taucht sie bereits in „Öffentliche Anzeigen der Grafschaft Ravensberg • Kreisblatt des Kreises Bielefeld“ ab der ersten Ausgabe des Jahres 1829 auf. Und in verschiedenen reduzierten Varianten wurde es auch ab Ende 1883 in „Westfälische Zeitung • Bielefelder Tageblatt“ eingesetzt.

Das zentrale Motiv, ohne die dreischwüngige Girlande, bestehend aus der zweitürmigen Toranlage mit Fallgatter und eingestelltem Wappenschild mit Sparren und geflankt von steigenden Löwen diente in dieser spezifischen Gestaltung auch als offizielles Wappen der Stadt Bielefeld, insb. des Magistrats der Stadt Bielefeld, wie es z.B. auf Siegelmarken auftaucht und in Variation auch publiziert ist in: Abadie (Hg.), Flaggen und Wappen der Welt, Wien, 1928, Kapitel 13, Wappen der wichtigsten Städte (II), Nr. 952.

Firmenplakette auf dem Klavier mit der Seriennummer 6492.

Typ VI

Zu dem vorhergehenden Typ existieren zahlreiche Gestaltungsparallelen. Dennoch sind die Unterschiede deutlich größer. Der Firmenschriftzug ist nun in die Zierleiste geschnitzt, wobei die Buchstaben aus einer vertieften rechteckigen Fläche mit halbkreisförmig ausgebuchteten Seitenkanten herausstehen. Die Schriftart ist eine schlichte Serifen-Antiqua.

Die seitlichen halbkreisförmigen Ausbuchtungen und die punktierte Fläche ähneln der Gestaltung von Typ V.

Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 8128.
Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 8532.
Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 9631, entstanden um 1900.

Typ VII

Mit zwei Untergruppen und zahlreichen Variationen nimmt Typ VII die größte Typengruppe ein, die bis dato identifiziert werden konnte. Gleichzeitig muss deutlich gemacht werden, dass dies auch aufgrund der umfangreichen Datenbasis geschuldet sein kann und weitere Recherchen zusätzliches Material für die vorhergehenden Typen hervorbringt.

[wird fortgesetzt]

Kuriositätenkabinett — Teil 2

[update]

Auf der Suche nach historischen Anzeigen der Bielefelder Pianofabrik Th. Mann & Co. begann ich vor Kurzem die digitalen Bestände der Universität Münster zu durchstöbern. Genauer gesagt, die Digitalisate des Bielefelder Tageblatt.

Damit war ich schon darauf gepolt, die Anzeigenteile genau zu durchforsten. Wenngleich ich eher geneigt war, grafisch gestaltete Annoncen in Augenschein zu nehmen, fiel mir im Digitalisat der Zeitung vom 12. Juli 1876 folgende Anzeige auf:

Bielefelder Tageblatt, Jg. 66, 1876, Heft 160 (12.7.1876), S. 4.

Ungewöhnlich nicht alleine die Annoncierung einer Suchmeldung für ein Haustier. Weniger Ungewöhlich, dass es sich um ein entlaufener Vertreter der Felidae handelt. Obgleich seit jahrtausenden als Haustiere gehalten, neigen sie noch immer dazu, ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Ungewöhnlich wiederum aber auch der Name unter der Anzeige, denn er legt nahe, es handle sich um den Pianofabrikanten Th. Mann. Zumindest im Adressbuch von Bielefeld aus dem Jahr 1865 wird nur eine Person dieses Nachnamens geführt.
http://www.bielefeld.de/ftp/dokumente/Adressbuch_Bielefeld_1865.pdf

Die Bezeichnung Rattenfänger suggeriert zudem, es handle sich weniger um ein besonderes Haustier, sondern mehr um ein Nutztier. So mag man annehmen, es würde bei einer Anzeige bleiben. Doch weit gefehlt. Nur wenige Ausgaben später:

Bielefelder Tageblatt, Jg. 66, 1876, Heft 166 (19.7.1876), S. 4.

Die Domestizierung der Katze geht einher mit der Sesshaftwerdung des Menschen. Bereits im Alten Ägypten wurden sie zur Jagd auf Mäuse eingesetzt. Dennoch zeigen neuere Berichte, dass Katzen eher schlechte Rattenfänger sind.
https://www.sueddeutsche.de/wissen/schaedlinge-katzen-versagen-als-rattenfaenger-1.4147161
https://www.spektrum.de/news/katzen-taugen-nicht-als-rattenfaenger/1594300

Mitnichten ist diese Geschichte hiermit vorbei. Ganz im Gegenteil regt sie das narrative Denken an. Man malt sich Szenarien aus, wie die Geschichte um die entfleuchte Hauskatze weiterging. Ob sie jemals gefunden wurde? Es ist zweifelhaft, dass man hierauf antworten finden wird. Dennoch muss diese Katze (oder Kater) etwas besonderes für ihren Besitzer gewesen sein. Sei es aus ideellen Gründen – weil die Katze dem dreijährigen Theophil jun. ans Herz gewachsen war, oder aus funktionalen Erwägungen; da die Katze ein vorzüglicher Rattenfänger war.

Bielefelder Tageblatt, Jg. 66, 1876, Heft 193 (19.8.1876), S. 4.

In den folgenden zwei Wochen gab es keine weiteren Annoncen.

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