Drama Stahltisch

Es wirkt wie eine triviale Aussage, dass Menschen Fehler unterlaufen. Tagtäglich werden wir mit Fehlentscheidungen konfrontiert, die mal mehr, mal weniger gewaltige Auswirkungen haben. Manchmal scheinen sie gar keine Folgen auszulösen. Selbst Wissenschaft ist nicht frei von Irrtümern, doch sollte gerade sie sich, bei nachgewiesenem Irrtum, selbst korrigieren. Doch ab und an scheinen Fehler derart resistent, dass sie nicht verschwinden wollen.

Seit geraumer Zeit befasse ich mich mit dem Künstler Anatol, dessen Werke in zahlreichen öffentlichen, wie privaten Sammlungen, sowie im Öffentlichen Raum vertreten sind. Leider finden sich in einigen der wenigen umfangreichen, zu ihm publizierten Kataloge Irregularitäten. Es sind Marginalien und doch gibt es einen Fehler, der nicht verschwinden mag, da er penetrant wider besseren Wissens reproduziert wird.

Im Museum Ostwall im Dortmunder U befindet sich aus der Sammlung Feelisch das Relikt der Aktion „Drama Stahltisch“; auch genannt: „Der Tisch“ oder „Drama Tisch“, so eine handschriftliche Notiz Anatols auf einer Konzeptzeichnung dieser Aktion (Abgedruckt zuletzt in Beuys, Eva; Beuys, Wenzel (2009): Joseph Beuys Handaktion 1968 & Anatol Herzfeld Der Tisch 1968; Joseph Beuys Medienarchiv; Staatliche Museen zu Berlin. Berlin, S. 54).

Bemerkenswert hieran ist die Datierung auf das Jahr 1969 und die Nennung des 23.1.1969 als angebliches Aufführungsdatum, welche nicht nur am Kunstwerk, sondern auch im Online-Verzeichnis zu finden ist (http://www.nrw-museum.de/#/mehr/biografien/detailansicht/details/artists///anatol/stahltisch-459.html).

Dabei ist mir wohl bewusst worauf dieser Fehler beruht, doch ist mir unverständlich, warum er sich weiterhin hält. Sämtliche neueren Publikationen datieren die Aktion korrekt auf den 5.12.1968. Der Grund mag im Katalog der Sammlung Feelisch liegen, welcher, ohne das genaue Aufführungsdatum des „Drama“ zu nennen, als Produktionsjahr 1969 benennt (Schmieder, Peter (1993): Sammlung Feelisch, Museum am Ostwall. Dortmund: Das Museum, S. 92).

Seinen Ursprung hat dieser Fehler in der Publikation „Art Information No.1“ von Dietmar Kirves, welche knapp drei Jahre nach der Aktion 1971 erschien; gleichzeitig mit einem Film auf Super 8 als Multiple (http://kirves.no-art.info/de/filme/1968-3_beuys-herzfeld.html) und auf dessen Internetseite das korrekte Datum vermerkt ist.

In den 1970ern und 80ern findet sich diese Datierung in zahlreichen Ausstellungskatalogen Anatols reproduziert: Katalog Galerie Onnasch Anatol 1972,  Anatol Ergebnisse 1978, Katalog Hildesheim Anatol 1984, Anatol Bilder und Plastiken 1985 und Anatol Natur und Technik 1987. Auch der Documenta Katalog übernimmt dieses Datum.

Erst mit dem von Uwe M. Schneede 1994 geschaffenen Katalog zu den Aktionen Joseph Beuys ändert sich dieses Bild. Schneede verweist explizit auf den Fehler innerhalb der Literatur (Schneede 1994, S. 218 Endnote 1) und führt im Folgenden Zeitungsartikel auf, die auf den 7. Dez. 1968 datiert sind. Die meisten Publikationen der vergangenen Dekade, welche diese Aktion aufführen, datieren sie – Schneede folgend – korrekt auf das Jahr 1968. Dies umfasst Kataloge, wie des Stadtmuseum Düsseldorf zu einer Ausstellung von Joseph Beuys im Jahre 2008, über erwähnende (Bredekamp, Horst (2012): Bodies in action and symbolic forms : zwei Seiten der Verkörperungstheorie. Berlin: Akademie Verlag, S. 212ff) und spezifische Publikationen zu besagter Aktion (Eva und Wenzel Beuys: Joseph Beuys Handaktion 1968 & Anatol Herzfeld Der Tisch 1968, 2009) und Johannes Stüttgens Rekapitulation der Lehrzeit von Joseph Beuys (Der Ganze Riemen 2008, S. 422ff), bis hin zu Dissertationen: Renate Buschmann: between in der Kunsthalle Düsseldorf zwischen 1969 und 1973. Die Chronik einer Nicht-Ausstellung. und Tiziana Caianiello: Der Lichtraum (Hommage à Fontana) und das Creamcheese im museum kunst palast. Zur Musealisierung der Düsseldorfer Kunstszene der 1960er Jahre. Allerdings, so muss man erwähnen, reproduziert der zu Anatols 70. Geburtstag von Heribert Brinkmann herausgegebene Katalog diesen und zahlreiche andere Ungenauigkeiten hinsichtlich von Datierungen.

Es sagt einiges darüber aus, wie auch innerhalb eines wissenschaftlich ausgerichteten Betriebs Literatur unkritisch rezipiert wird und wie stark sich Fehler zu halten vermögen.

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