Facebook mit Kunst füllen

„Die Idee ist, facebook mit Kunst auszufüllen, um eine Monotonie der Bilder von Essen, Sushi und Katzenkindern zu brechen.“ (facebook.de)

Man sucht die eine Monotonie durch eine andere zu ersetzen und vergisst dabei, dass Bilder ohne Kontext (≈Sinn) zu nichts führen, sie wörtlich Sinnlos sind (wobei ich mich nur beiläufig auf Wittgenstein berufe). Eine ungebremste Flut an Sinneseindrücken führt ausschließlich zu einer Anästhetisierung, keinesfalls zu einer visuellen (oder sonstwie gearteten) Kompetenz.

In einem vergleichbaren Sinne sprach Wolfgang Welsch (Ästhetisches Denken, Stuttgart 1990) von der Ästhetisierung der Umwelt, die zu einer Überreizung und schließlich dem Wahrnehmungsverlust führt. Dieser Unsinnlichkeit muss sich die Ästhetik annehmen und sie bemerkbar machen. Was Welsch als Eigenschaft postmoderner Kunst konkretisierte, lässt sich wohl auch als ästhetische Form einer Reduktion von Komplexität umreißen, die letztlich (legt man Luhmann besonders wohlwollend aus) die Konstruktion von Sinn bedeutet. Autor und Titel sind Daten (&Fakten) zu einem Bild, sie erklären das Bild jedoch nicht, geben ihm keinen Sinn. Bilder, insbesondere der Bildenden Kunst kommen nicht ohne Kontext aus; sie müssen auf die eine oder andere Weise kommentiert werden; sei es durch Sprache oder durch weitere wohlgewählte Bilder. Deswegen macht man Ausstellungen; die aber leider nur selten ohne erläuternde Sprache auskommen (welche wiederum meistens nur auf Fakten reduziert ist und als einzige vom Besucher wahrgenommen wird). Ohne Sinn werden Bilder beliebig.

Nun möchte ich meine Gedanken konkretisieren.

Wirft man einen Blick auf Grünewalds (Mathis Gothard) »Verspottung Christi« (welches ein nachträglicher Titel ist), einer in Öl auf Holz gemalten Tafel von etwa 109 auf 74 Zentimetern, die nach Karl Oettingers Datierung zwischen 1504 und 1505 entstanden ist, wird man sie vermutlich einer bestimmten stilistischen Epoche zuordnen können; man mag vielleicht auch seinen groben Inhalt erkennen (Leidensweg Christ: Verspottung) und gegebenenfalls auch ihre Funktion erahnen (Laut Walther Zülch ein Epitaph für die 1503 verstorbene Apollonia, eine Schwester des Aschaffenburger Vitztum Johann von Cronberg).
Dies alles gibt dem Bild schon einen groben Rahmen und Sinn. Es erläutert aber weder die persönliche Bedeutung für mich (warum ich es auswählte), noch seine kunsthistorische Besonderheit und Bedeutung. Ersteres ist schnell öffengelegt: ich benötigte ein Beispiel, ich kannte das Bild und auf Zeno.org war es vorhanden. Letzteres lässt sich nur im Vergleich zu anderen Bildern seiner Zeit ermitteln und würde in seiner Vollständigkeit an dieser Stelle den Rahmen sprengen, gibt aber bereits im Anriss einen Hinweis auf meine Gedaken zum Sinn.

Auffällig ist die unkanonische Umsetzung der Thematik. Christus, teilnahmslos mit gebundenen Händen und verbundenen Augen die Schindereien der Schergen über sich ergehen lassend, sitzt mit bloßen Füßen, aus dem Zentrum gerückt auf einer Art Stufe. Der Bildraum ist unklar, eine Schwarze Fläche hinterfängt die auf einer grauen Ebene handelnden Personen. Diese ist es, welche die in einem engen Bildausschnitt zu einer Szene zusammengefassten Akteure hervortreten lässt (Hat vielleicht ein Caravaggio Arbeiten von Grünewald gesehen? (-; ). Durch den Verzicht auf jegliche konstruierte Perspektive, setzt sich Grünewald von zahlreichen anderen Künstlern seiner Zeit ab. Lorenz Dittmann schreibt dazu, dass der Raum „nicht vor den Figuren und Dingen da [ist], die in ihn als in ein gleichmäßig erfüllendes Medium eingestellt wären, sondern er ist von ihnen, vor allem von den Figuren, abhängig.“ (Dittman, Lorenz (1955): Die Farbe bei Grünewald. München. Univ. Diss., S. 73) Das bedeutet, erst die agierenden Figuren erzeugen in ihrer Staffelung und Dynamik den Raum.Ginge man weiter müsste man noch so manches zur Farbe, zu den verzerrten Gesichtern, den (Dornen)Stangen, dem Musiker, dem ikonographischen Hintergrund (Margret Lurz beschreibt verschiedene schriftliche Überlieferung von Verspottungsszenen; mit stehenden und sitzendem Christus) und den Verbindungen zu steirischen Passionsspielen (Die Figur des Mildtätigen) ausführen.

http://www.zeno.org/nid/20004063074

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