Horologium Augusti

Da bin ich doch glatt vor kurzem auf Youtube über eine Folge der Sendung mit der Maus – ich denke aus den 1990er Jahren – über das Leben in Rom zu Zeiten von Augustus (Octavian) gestoßen. Nichtsahnend schaute ich die Folge und horchte plötzlich auf, als der Name Edmund Buchner genannt wurde (etwa bei 19:50).

Für sich betrachtet, ist dies nur eine Randnotiz der gesamten Folge, doch hat sie eine ganze Generation von Sendung mit der Maus Zuschauer korrumpiert.

Denn: Das in der Sendung erwähnte Solarium Augusti, oder Sonnenuhr des Augustus, welches Professor (!) – so wird er angesprochen – Buchner entdeckt haben möchte, gab es gar nicht; zumindest gab es das nicht in der von ihm behaupteten Form.

Nach heutigem Kenntnisstand und Neubewewertung der archäologischen Funde befand sich auf dem Marsfeld in Rom lediglich ein Meridian.

Witzig ist, dass es so gut wie keine Quellen zu der Existenz einer Sonnenuhr gibt. Plinius liefert in seiner naturalis historiae (XXXVI, XV 72-73) als einziger eine gesicherte Erwähnung des Obelisken und dessen Funktion:

„Dem auf dem Marsfeld stehenden Obelisken gab der vergöttlichte Augustus eine bemerkenswerte Bestimmung, nämlich die Schatten der Sonne und auf diese Weise die Länge der Tage und Nächte anzuzeigen; er ließ <entsprechend> der Länge des Obelisken ein Steinpflaster in den Boden legen, dem der Schatten am Tage der Wintersonnenwende in der sechsten Stunde gleichkommen sollte und der allmählich nach den aus Erz eingelegten Streifen an den einzelnen Tagen abnahm und wieder länger wurde, eine Anlage, die wert ist, sie kennenzulernen, ersonnen vom Scharfsinn des Mathematikers Novius Facundus.“ (Plinius, naturalis historiae 1, XXXVI, XV 72)

Eine weitere vermeintlich antike Reflektion des „Horologiums“ liefert die Säule des Antoninus Pius. Von ihr hat sich ein Relief (Apotheose des Antoninus Pius und der Faustina) erhalten. In ihr liegt, im linken Bereich ein Jüngling mit idealisierten Zügen, der einen Obelisken mitsamt Sockel und Kugelaufsatz in den Händen hält. Giovanni Battista Antonio Visconti sah hierin die Personifikation des Campus Martius und entsprechend in der Säule den Gnomon des augusteischen Horologium. (AMELUNG, Walter (1903): Die Sculpturen des Vaticanishen Museums. Band I. Berlin, S. 883-893)

C.J. Simpson stellte die These einer Erwähnung der Sonnenuhr bei Ovid auf. Doch diese sind zu kryptisch und zu allgemein gehalten, als dass sie für eine Rekonstruktion geeignet wäre. (SIMPSON, C. J. (1992): „ʼUnexpectedʼ references to the Horologium Augusti at Ovid Ars Amatoria 1, 68 and 3, 388“. In: Athanaeum 80, 1992, S. 478-484)

Trotz der spärlichen Nennungen, wollte Buchner diese Sonnenuhr tatsächlich finden; den Obelisken kannte man zwar, hielt ihn aber stets für einen Meridianszeiger. Nach zwei erfolglosen Grabungskampagnen stieß man im Sommer 1980 unter einem Haus tatsächlich auf Funde.

Man fand eine Wanne aus opus signinum, was darauf hinwies, dass ein spät- bis nachflavisches Wasserbassin oberhalb des/der flavischen Meridian/Sonnenuhr existierte. Darunter schließlich auf die erhofften Travertinplatten mit eingelassenen Bronzelinien. Diese lagen jedoch 1,6 m oberhalb des augusteischen Niveaus. (Es ist bekannt, dass nach Augustus das Marsfeld wegen der Tiberüberflutungen aufgeschüttet wurde.) Da diese Linie nicht in das von Buchner errechnete Feldraster samt Lage des Meridians passte, sah er in den Funden nicht die eigentliche Meridianlinie, sondern eine westlich davon liegende Linie, welche ein Äquivalent weiter östlich besitzen müsse; aus einer Mittagslinie machte er zwei parallele Linien.

Nach Peter Heslin sind nicht alleine Buchners Thesenkonstruktionen zweifelhaft, es lässt sich nach gegebenen Fakten sogar an der Autorenschaft Augustus zweifeln. (HESLIN, Peter (2007): „Augustus, Domitian and the So-called Horologium Augusti“. In: Journal of Roman Studies 97, 2007, S. 1) Zudem merkt Heslin an, dass Plinius eine Sonnenuhr, wie sie Buchner konstruierte, anders beschrieben hätte.

Kritik an Buchners Thesen und Methoden gab es in der Folgezeit seiner Veröffentlichungen viele. Die bekannteste und am meisten zitierte ist ein Artikel von Michael Schütz. (SCHÜTZ, Michael (1990): „Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld. Eine Auseinandersetzung mit E. Buchners Rekonstruktion und seiner Deutung der Ausgrabungsergebnisse, aus der Sicht eines Physikers“. In: Gymnasium 97, 1990, S. 432-457)

Fraglich ist laut Schütz zunächst die Interpretation von Plinius. Dieser beschreibt in seiner Naturgeschichte Sonnenuhren an ganz anderer Stelle (nat. 2, 182 horoscopa, nat 7, 212f horarum observatio, solarium horologium). Es ist also mehr als Wahrscheinlich, dass Plinius einen Meridian meinte.

Bereits vor der Veröffentlichung von Michael Schützʼ Kritik machte Emilio Rodríguez-Almeida auf einen flavischen wie hadrianischen Cippus aufmerksam, welcher das Pomerium begrenzte und bereits 1930 im Bereich des westlichen Horologiums gefunden wurden. (RAKOB, Friedrich (1985): „Die Urbanisierung des nördlichen Marsfeldes. Neue Forschungen im Areal des Horologium Augusti“. In: LʼUrbs. Espace urbain et histoire. Ier siècle av. J.C. – IIIe siècle ap. J.C. Actes du colloque international, Rome, 8 – 12 mai 1985, 1987, S. 694ff; CARSWELL, Christopher James Andrew (2009): SIDERA AUGUSTA: The Role of the Stars in Augustusʼ Quest for Supreme Auctoritas. Master Thesis Department of Classics, Queen‟s University Kingston, Ontario, Canada, S. 118) Es kann sich also in flavischer Zeit höchstens um ein halbes Solarium gehandelt haben. (CARSWELL, Christopher James Andrew (2009): SIDERA AUGUSTA: The Role of the Stars in Augustusʼ Quest for Supreme Auctoritas. Master Thesis Department of Classics, Queen‟s University Kingston, Ontario, Canada, S. 119) Was aber nach symmetrischen Gesichtspunkten für eine römische Anlage höchst ungewöhnlich gewesen wäre.

Die Kritikpunkte an den Thesen Buchners sind zahlreich und doch hat er archäologisch ein mehr als faszinierendes Stück römischer Baukunst nachgewiesen. Angesichts der intensiven, wenn auch jungen Forschungsdebatte und den daraus hervorgegangenen Theorien zum „Horologium“, erstaunt die spärliche Quellenlage. Sogar Augustus geht in seiner Res Gestae mit keinem Wort auf den Gnomon und/oder seine Funktion ein. Ebenso scheinbar auch kein anderer antiker Autor abseits von Plinius – sieht man einmal von einer angeblichen Bezugnahme bei Cassius Dio ab. Hätte es eine gigantische Sonnenuhr gegeben, wäre sie sicherlich öfters erwähnt worden.

Update: Erst hielt ich die Debatte seit der einleuchtenden Kritik durch Michael Schütz 1990 und des aufschlussreichen Einblicks in die Forschung durch Peter Heslin 2007 um das Thema des Horologium Augusti für gesetzt. Doch der letztjährige Supplementary Band des Journal of Roman Archaeology belehrte mich eines Besseren.

Obgleich es keine neuen archäologischen (Be-)Funde gibt, scheint die wissenschaftliche Ausdeutung existierender Fakten kontrovers wie nie. Die einen wollen unbedingt eine vollständige Sonnenuhr auf dem Marsfeld zur Zeit Augustus existiert wissen und die anderen argumentieren, es gäbe zu wenig Belege für diese.

… to be continued (wie anzunehmen ist…)

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