Planungen zur Auflösung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Osnabrück

Eine Nachricht kann ungehört verklingen. Sie kann aber auch unerwartet hohe Wellen schlagen. Wie sehr dem Präsidium der Universität, aufgrund eines Ideenplans zur Umverteilung von Geldmitteln nach Pensionierung der in Osnabrück ansässigen Professoren für Kunstgeschichte, Gegenwind begegnet, zeigen mehr oder minder gelungene Aktionen und ein Offener Brief des Ulmer Vereins.

Anonymer Vandalismus und teils fragwürdige Plakataktionen unter dem Pseudonym „HANNAH“ laufen einer Deeskalation zweifelsohne zuwider. So sehr dieser extremistische Aktionismus auch Ausdruck eines Ohnmachtsempfindens ist, so sehr ist er auch zu verurteilen. Anstatt Beleidigungen und andere Aufforderungen zu plakatieren, hätte man sich auf die humorvollen Slogans beschränken sollen. Ein „Es heißt ja nicht umsonst Wissenslücke“ fügt zwar nichts zu einer sachlichen Debatte bei, unterstreicht aber deutlich die Kritik an solchen Planungen.

Blickt man in die jüngere Geschichte der Universität, welcher die Kunstgeschichte seit Gründung der Hochschule angehört, fallen zahlreiche Umstrukturierungen und das Wegfallen ganzer Kompetenzbereiche auf. Vor allem sticht hier der Bereich Medien hervor, der seit 2009 geschlossen ist. Der Verlust an Fachwissen spiegelt sich auch in der vorzüglichen Plakataktion wider, die aufzeigt, dass Kunst „unerklärlich“ wird, schließt man weitvernetzte Fächer wie Kunstgeschichte. Dabei ist jene „Unerklärlichkeit von Kunst“ nur die Spitze des Eisbergs. In einer immer stärker werdenden Visualisierung und Ästhetisierung von Gesellschaft ist der Umgang mit Bildern unausweichlich. Die manipulativen Kräfte von Bildern zeigen sich nicht alleine auf Facebook, wo unreflektiert in Bilder verwandelte Zitate irgendwelcher Autoritäten ohne Quellennachweis weiterverbreitet werden. Sondern sie zeigen sich auch, was keine neue Erkenntnis ist, in dem Versuch ideologische Argumente mit Bildern zu untermauern. Bilder haben Autorität.

Es ist die Kunstgeschichte, welche den Methodenapparat bereithält, Bildern ihre offensichtlichen und unterschwelligen Inhalte zu entlocken. Für die Geisteswissenschaften, um diese im Grunde bereits überholte Trennung zu benutzen, ist dies eine triviale Aussage. Die „Politiken der Bilder“, Kunst und Politik oder Politik und Ästhetik sind Bereiche, die fächerübergreifend seit einigen Jahren immer stärker an Bedeutung gewinnen. Studien zur Politischen Ikonographie kommen nicht ohne Werkzeuge aus, die Kunsthistoriker wie Panofsky und Imdahl bereitgelegt haben.

Dabei ist es nicht alleine eine akademische Kür mit Bildern umgehen zu können, sondern bereits eine Basisfertigkeit für die Vermittlung von Bildern und sogar für die persönliche Begegnung mit Bildern. Diese Kompetenzen kommen nicht nur Kunsthistorikern und Kunstinteressierten zugute, sondern auch der Kunst/Kunstpädagogik in Osnabrück, den dort angehenden Historikern, Sozialwissenschaftlern/Politikwissenschaftlern, um nur einige zu nennen. Ihre weite Vernetzung ist nicht zu leugnen.

Angesichts der reichen Kulturlandschaft des Osnabrücker Raumes ist eine Abschaffung der Kunstgeschichte unverantwortlich. Die historische Aufarbeitung bestehender Kulturdenkmale und Kunstwerke geht hier genauso als Argument herein, wie auch die aktive Begleitung der Neuproduktion von Kunst und Kultur. Mit Dominikanerkirche, EMAF und dem Unabhängigen Filmfestival kommen stets neue Impulse nach Osnabrück.

Der Zufall produzierte in Osnabrück die offene Empörung, aber schon alleine der Gedanke, man könne einfach so ein scheinbar ökonomisch unrentables Fach einfach schließen, zeugt von einem Denken, das sich dieser Zeiten nicht mehr geziemt.

Retrospektiv mag man fast sagen, dass die Chance verpasst wurde, in Osnabrück ein breit aufgestelltes Institut für Bildwissenschaften aufzubauen, das sich aus Medien, Kunstgeschichte und Kunst/Textil zusammensetzt und enge Beziehungen zu Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften/Politikwissenschaften hält. Es lässt sich nur schwer ausmachen, ob diese Option jemals erkennbar war. Aber heute wird die Bedeutung der Kunstgeschichte für andere Fächer erheblich unterschätzt.

Überspitzt kann man auf einen ganz anderen Narrativ verweisen, der in seiner eigenen Art auch nicht die Realität widerspiegelt. Es ist der „normative Inzest“ von Natur- und Wirtschaftswissenschaften: Wenn man sich immer wieder selbst sagt, dass man das Maß der Dinge (hard sciences) ist, glaubt man das irgendwann auch.

Die Kurzsichtigkeit ist ja letztlich der Grund für den auffahrenden Shitstorm gegen die Unileitung.

Ein Teil des Problems rührt aber auch von der noch immer existierenden Verbindung des Kunstbegriffs mit einer Vorstellung von Elitismus her. Selten ist wohl bewusst, dass die Art wie wir Bilder sehen und produzieren, auch von der Kunst beeinflusst ist. Gerade hinsichtlich der manipulativen Kraft von Bildern. Und eben diese Manipulationswirkung lässt sich wunderbar im Alltag mit den Methoden der Kunstgeschichte entlarven.

Ich fürchte aber, dass dieser Zug, zumindest für Osnabrück, abgefahren ist. Die Weichen – um diese Metapher fortzusetzen – wurden bereits gestellt und die Frage nach der Aufgabe der Kunstgeschichte ist eher das finale Kapitel.
Bei dem Begriff „Fake-News“ ist es zum Teil erschreckend, dass selbst Akademiker mit einem weitestgehend „Bildwissenschaftlichen“ Hintergrund auf Facebook unkritisch Bilder weiterposten, ohne ihren Inhalt zu prüfen. (Aber auf Facebook geht es ja auch gar nicht um Fakten, sondern um ein gutes Gefühl; die Bestätigung der eigenen Identität unter Gleichen in Abgrenzung zu Anderen; die Grundlage jedes antiwissenschaftlich denkenden protofaschistischen Staates.)

Kunstgeschichte ist Teil jenes Fächerspektrums, das Machtverhältnisse, die noch immer aufscheinende Verunglimpfung von Einzelnen und Gruppen (u.A. Stichwort Alltagsrassismus) und die grassierende Ignoranz gegenüber Fakten mit aufzudecken vermag. Dies zu ignorieren ist reaktionär und in hohem Maße beunruhigend.

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